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Montag, 20. Februar 2012


Zoff in Nordkenia

Nach all den Horrormeldungen, die im Jungle Junction in Nairobi über die nördliche Pistenstrecke Richtung Äthopien verbreitet wurden, brach ich mit gemischten Gefühlen auf. Chris gab mir noch den Rat nicht vor 10.00 Uhr morgens aufzubrechen wegen dem extrem Verkehr in Nairobi. Das war schlicht eine Untertreibung. Selbst nach 10.00 Uhr benötigte ich auf der Ringstraße noch über 1 Stunde um ca. 6km zurück zu legen und das mit einem Motorrad im Zickzackmodus. Ich nahm eine "Abkürzung" durch die Slums von Nairobi. Unglaubliche Zustände mit Müll, Fäkalien und brennenden Müllhaufen. Ein Problem, das man fast überall in Afrika's Großstädten vorfindet. Die Städte wachsen so schnell, daß die Infrastruktur nicht mithalten kann. Kanalisation oft Fehlanzeige, Strom- und Wasserausfälle sind die Regel. Auch ich habe heute in Addis Abeba noch nicht geduscht - kein Wasser, fürs Klo organisierst du dir Trinkwasser zum runterspülen oder verrichtest dein "Geschäftchen" vielleicht morgen, wenn es eventuell wieder Wasser gibt.

Zurück zu meinem Trip nach Nordkenia. Tagesziel: Isiolo. Ich wähle die Ostroute um den Mount Kenya (ca. 5200m hoch). Sie ist kurvenreich, ich verpaße das Äquatorschilder auf  der Westroute, sehe dafür tolle Vegetation, Tee- und Kaffeeplantagen, spreche mit George, einem alten einheimischen Verwalter über den Kaffeeanbau und komme so um 16.00 Uhr in Isiolo an. Von hier sind es ca. 280 km zu meinem nächsten Etappenort Marsabit. Der Norden Kenias ist immer wieder ein Troublespot mit Aufständen. Bevor ich aufbrach, habe ich mich noch nach Unruhen erkundigt - laut mehreren Aussagen zur Zeit kein Problem.
Um so überraschter war ich als die Hauptstraße in Isiolo mit Steinen und Felsbrocken blockiert vorfand. Im Zickzack fuhr ich Richtung Ortsmitte, wunderte mich schon über die Menschenansammlungen, Geschrei und über die Militärpräzenz. Ständig fuhren Militärjeeps und an jeder Ecke Militärposten. Filmen und Fotografieren traute ich mich nicht. Dann plötzlich Schüsse, Leute sprangen durch die Gegend, Tränengas- und Gummigeschosse. Naja ich habe ja einen Helm auf. Meine erste Zuflucht - eine Tankstelle - hatte natürlich keinen Sprit oder andere Sorgen. Ein Junge mit einem Moped führte mich zu einer etwas außenliegenden Tankstelle und "guidete" mich auch zu einem 2km außerhalb liegenden Hotel, das von einer Dänin geführt wurde. Hier erfuhr ich auch den Grund der Unruhen: am Vorabend tötete ein Minibus bei einem Unfall (mich wundert das bei deren Fahrstil überhaupt nicht) 2 Motorradfahrer von einem Nachbarort. Dieser Nachbarort wollte jetzt im Lynchverfahren Rache an Isiolo nehmen. Nachts hörte ich ständig Militärfahrzeuge.

Am nächsten Morgen brach ich auf zur "Königsetappe" Isiolo-Marsabit-Moyale.  Ironischerweise wird diese Strecke in der Karte als Trans-East-African Highway bezeichnet. Viel genauer beschreibt der Song von ACDC "Highway to Hell" die  Strecke. Die ersten 135 km waren noch geteert, dann nach einer Brücke nach dem Fluss Merille ging es los. Bis dahin hatte ich ja schon über 3000 km offroad-Erfahrung in Afrika. Aber die vorliegende Strecke ist mit normalen offroad-Strecken nicht zu vergleichen. Fast jedes zweite Fahrzeug trägt auf dieser Strecke ernsthafte Schäden davon. Wer diese Strecke schon einmal gefahren ist, weiß wovon ich spreche. Felsen, Löcher, extrem tiefe Spurrillen (manchmal so tief, dass mein Boxermotor links und rechts vom Schotter eingekeilt wurde. Es kracht fast jeden Moment unter dir.  Ich folge den Rat von Chris und mache jede Stunde 15 Minuten Pause, damit das Öl in den Stoßdämpfern abkühlen kann. Am zweiten Tag, die Pistenetappe ist ungefähr 245 km lang - keine Besserung - eher noch schlimmer. Übernachtet habe ich in Marsabit in einem Loch  mit mehr als sanierungsfähigen Sanitäranlagen. Das Moskitonetz habe ich nicht benutzt. Der Modergeruch war einfach zu stark. Dann bekomme ich lieber Malaria, wenn es sein muß. Mit maximal 2 Stunden Dämmerschlaf ging es vor 7.00 Uhr los. Laut meinen Quellen schafft man ca. 20 km/h. Hennings Tipp viel Trinkwasser mit zu nehmen war sehr gut, leider kaufte ich in Masabit die Marke "Chlor". Ich konnte eine Flasche herunterwürgen, den Rest habe ich dann verschenkt. Die Folge - am Nachmittag gegen 16.00 Uhr bei der Ankunft war ich total dehydriert, hatte fast nichts gegessen, stürzte einmal sehr heftig in einer Sandverwehung (das Motorrad fiel auf mich drauf, ich konnte mich nur sehr schwer von den ca. 320 kg schweren Maschine befreien. Am Knöchel hatte ich eine mittelschwere Prellung). Ich war nach meinem Sturz total mit rotem Sand verdreckt. Selbst mein Visier konnte ich nur notdürftig reinigen, meine Stiefel voller Sand, die Goretex-Poren des Anzuges total verstopft. Aber - die Maschine lief ohne Probleme, keine Pannen, nur ein total erschöpfter Biker. Dann Moyale auf Kenia-Seite, total verdreckt, nur Muslime, Geldwechsler und Benzinschwarzhändler. Schnell die Zollformalitäten - erst Ausreise Kenia, dann Einreise Äthopien, 50 US Dollar schwarz gewechselt, dann Unterkunft. Surprise, surprise - nach einem der härtesten Tage, die ich bisher in meinem Bikerleben erfahren hatte, freute ich mich auf eine Dusche - Fehlanzeige. No water in Moyale today and tomorrow. So ein Shit. Abends ging ich noch essen. 500 g Fleisch mit Chilisosse und viel Wasser und 2 Bier. Ich hätte wie ein Kamel trinken können. Unterwegs auf der Piste sah immer wieder große Kamelherden, einmal kurz vor meinem Sturz eine Hyhäne. In live ziemlich groß - sie wußte schon irgendwie, dass ich einige hundert Meter später stürzen sollte. Fette Beute war für sie angesagt.

In dieser Nacht schlief ich in meiner Kloake überhaupt nicht. Die Matraze stank bestialisch, überall roch es nach Kloake (nirgends Wasser!) und ab 4.00 Uhr morgens schrie der Prediger von seiner Moschee. Ich zog mir zwar neue Unterwäsche, T-shirt usw an, aber mein Anzug und Helm waren verdreckt und rochen sehr streng. Unterwegs hatte ich noch in einem äthopischen Cafe Frühstück und ein Cola um mich halbwegs wach zu halten. Ich hatte ja fast 2 Tage nicht geschlafen. Nach ca 150 km bog ich wieder auf eine offroad-Piste ab Richtung Arba Minch. Dort wollte ich unbedingt die Krokodile sehen. Ich fand ein gutes Hotel. Swayne's Hotel. Hier duschte ich zunächst mehrmals. Gab meinen Motorradanzug zur Laundry (Wäsche), wusch meine Klamotten, Helm, Handschuhe usw.  Ich blieb hier 2 Tage - u.a. machte ich eine zweistündige Bootsfahrt auf dem Chamo Lake, sah riesige Krokodile am Ufer sowie mehrere Hippos. Als alter "Quasselonkel" bin ich selten alleine. Obwohl mehrere europäische Reisegruppen anwesend waren, wurde ich als einziger "Weißer" von Äthopier abends zu einer Abschiedsfeier eingeladen inkl. Kaffeezermonie. Am nächsten Morgen ging es dann weiter nach Addis Abeba zu Wim's Holland House - ein Treffpunkt für Globetrotter.

Altes Spiel - gleiches Glück: die Wasserversorgung ist wieder großflächig zusammengebrochen, der ATM (Geldautomat) akzeptiert keine Mastercard. Von dem Portugiesen Pedro, der am Donnerstag heimfliegt, bekomme ich für ca 135 Euro äthopische Pfund, den Gegenwert überweise ich auf sein portugiesisches Konto. Meine Dollars und Euro benötige ich noch für die Fähren in Sudan/Ägypten sowie Ägypten/Jordanien und Israel nach Europa. Das Internet funktioniert ebenfalls nicht - ich bin ja schließlich hier im äthopischen Nowhere, sprich der Hauptstadt.
Okay so Allah will, werde ich in ca 2-3 Wochen aus Ägypten wieder berichten. Communication ist hier in Nordäthopien und aus dem Sudan nicht so einfach.

So long.













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